top of page

Das EU Lieferkettengesetz und KMUs – was aus rechtlicher Sicht auf heimische Unternehmen zukommt

Die Verabschiedung des EU Lieferkettengesetzes durch die EU-Staaten sorgt zu Recht für scharfe Kritik. Die Regelung stellt eine weitere bürokratische Belastung für die heimische Wirtschaft dar, die vor allem mittelständische Unternehmen treffen wird. Kritiker warnen vor einer schleichenden Deindustrialisierung und der Abwanderung von Firmen aus Europa. Während EU-Betriebe strenge Vorgaben erfüllen müssen, profitieren Unternehmen außerhalb Europas von Wettbewerbsvorteilen. Dies könnte die wirtschaftliche Stabilität in der EU gefährden und viele Firmen, insbesondere in der mittelständisch geprägten Wirtschaftslandschaft Österreichs und der Bundesrepublik Deutschland weiter unter Druck setzen.


Aber was bedeuten die neuen Vorschriften für Unternehmen genau und welche rechtlichen Vorgaben gibt es eigentlich?


Die „EU Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ (auch Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD, EU Lieferkettenrichtlinie oder eben EU Lieferkettengesetz) enthält sowohl menschenrechtliche als auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten sowie Vorgaben für die Umsetzung eines Klimaplans. Vordergründiges Ziel sei es, dass Unternehmen in der EU bestimmte Sorgfaltspflichten umsetzen, „um negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte und Umwelt in ihren Aktivitätenketten innerhalb und außerhalb Europas zu vermeiden“. Die Richtlinie ist von den EU-Mitgliedstaaten bis 26. Juli 2026 in innerstaatliches Recht umzusetzen.


Der Mittelstand muss sich auf das Lieferkettengesetz vorbereiten
KMU, die Lieferketten-fit sind, haben einen Wettbewerbsvorteil

Neue Pflichten durch das EU Lieferkettengesetz


Die Richtlinie sieht vor, dass Unternehmen des Anwendungsbereichs künftig Risiken in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie mit Blick auf ihre Tochterunternehmen und ihre Geschäftspartner ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber berichten. Unternehmen müssen dabei sowohl auf die vorgelagerte als auch die nachgelagerte Kette (z.B. Transport zum Endkunden) achten.


Unternehmen müssen ihre eigenen Aktivitäten sowie jede Ihrer direkten und indirekten Geschäftspartner in Bezug auf Themen wie Kinderarbeit, Ausbeutung von Arbeitnehmern, sichere Arbeitsbedingungen, Verlust der Biodiversität und Umweltverschmutzung überwachen und optimieren.


Betroffene Unternehmen – groß und klein


Unternehmen sind dem Wortlaut der Richtlinie zwar erst ab 1.000 Mitarbeitern und einem weltweiten Nettojahresumsatz von 450 Millionen Euro vom Anwendungsbereich erfasst. Das ist aber nur die halbe Wahrheit:


Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollten sich rechtzeitig mit dem EU Lieferkettengesetz beschäftigen. Denn die betroffenen Unternehmen werden ihre Sorgfaltspflichten an ihre Vertragspartner weitergeben, wenn diese Teil derer vor- bzw. nachgelagerten „Aktivitätskette“ (vorgelagerte Lieferkette, eigener Geschäftsbereich und nachgelagerte Lieferkette in Bezug auf Vertrieb, Transport und Lagerung von Produkten) sind. Dabei spielen die in der Richtlinie formulierten Schwellenwerte keine Rolle!


Denn unmittelbar betroffene Unternehmen sind bei Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflichten für Schäden grundsätzlich zivilrechtlich verantwortlich (Schadenersatz). Zudem müssen die Mitgliedstaaten Aufsichtsbehörden einrichten, die abschreckende, verhältnismäßige und wirksame Sanktionen für Verstöße gegen Vorschriften des EU Lieferkettengesetzes vorsehen.


Als Konsequenz werden KMU, die die Schwellenwerte der Richtlinie nicht erfüllen, genauso neue Sorgfaltspflichten einhalten müssen, um ihre Geschäftsbeziehungen aufrechterhalten zu können. Dies gilt nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit öffentlichen Auftragsvergaben, denn die Bestimmungen des EU Lieferkettengesetzes müssen künftig auch Teil der Vergabekriterien sein.


Welche Pflichten werden auf betroffene KMUs überwälzt werden?


Betroffene KMU werden ein Compliance-System etablieren müssen:


  • Sie müssen sicherstellen, dass ihre Lieferanten keine Menschenrechtsverletzungen begehen oder Umweltstandards verletzen.


  • KMU müssen Risiken in ihren Lieferketten besser verstehen und managen, was besonders bei komplexen, globalen Lieferketten anspruchsvoll ist (Risikomanagement).


  • Die Einhaltung des entsprechenden Verhaltenskodex des jeweiligen Vertragspartners muss vertraglich zugesichert nach unten weitergegeben werden.


  • Bestehende Verträge werden daher in vielen Fällen neu zu verhandeln, Lieferanten neu zu bewerten und Mitarbeiter zu schulen sein.


  • Viele große Unternehmen werden zudem eine regelmäßige Berichterstattung über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette verlangen, so dass unter Umständen sogar Überwachungssysteme etabliert werden müssen.


  • Wenn in ihrer Lieferkette Probleme identifiziert werden, müssen KMU möglicherweise Korrekturmaßnahmen ergreifen.


"Begleitmaßnahmen"


Zum „Schutz“ von KMU macht das EU Lieferkettengesetz den Mitgliedstaaten gewisse Vorgaben, die allerdings recht abstrakt und realitätsfern erscheinen und wohl als ein weiterer Auswuchs Brüsseler Bürokratie zu bezeichnen sind:


So sollen die Mitgliedstaaten mit Hilfe der EU-Kommission etwa benutzerfreundliche Websites, Portale oder Plattformen einrichten, um Informationen und Hilfen bereitzustellen. Sie können KMU auch finanziell unterstützen und beim Kapazitätsaufbau helfen. Verpflichtete Unternehmen werden „ermutigt, KMU bei der Erfüllung von Sorgfaltspflichten zu unterstützen und faire, verhältnismäßige Anforderungen anzuwenden“.


Sie sollen zudem ihren KMU-Geschäftspartnern gezielte Unterstützung bieten, wie Zugang zu Schulungen oder Modernisierungen, und gegebenenfalls finanzielle Hilfe leisten, beispielsweise durch direkte Finanzierung, zinsgünstige Darlehen oder Garantien, um eine Insolvenz der KMUs zu verhindern. Zahnlos ist auch die Bestimmung, dass vertragliche Bedingungen mit KMU „fair und diskriminierungsfrei“ sein müssten.


Fazit - Wettbewerbsvorteil für KMUs sichern


Das EU Lieferkettengesetz bedeutet im Ergebnis eine zusätzliche Erschwernis für betroffene kleine und mittelständische Unternehmen, die bereits jetzt unter der Überregulierung ächzen. Diese stehen vor neuen Aufgaben, die in Wahrheit nur mit eigener Rechts- oder Compliance-Abteilung bewältigbar sind, und die in vielen Fällen outgesourct werden müssten.


Das EU-Regelwerk schafft zudem weitere Abhängigkeiten von EU, Behörden, Großunternehmen und Kreditinstituten. KMU, die frühzeitig Vorsorge treffen, könnten das neue Regelwerk aber als Wettbewerbsvorteil nutzen, da viele große Unternehmen mit konformen Lieferanten zusammenarbeiten wollen. Rechtzeitige Beratung kann helfen, Ihr Unternehmen Lieferketten-fit zu machen.


Rechtsanwalt Wirtschaftsrecht


Rechtsanwalt Dr. Simon Harald Baier LL.M. berät zu Fragen der des Wirtschaftsrechts, Handelsrechts und Europarechts.

bottom of page