Die „EU-Richtlinie über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten im Bereich Nachhaltigkeit“ (auch bekannt als Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD, EU-Lieferkettenrichtlinie oder EU-Lieferkettengesetz) legt menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten sowie Anforderungen an einen Klimaplan fest. Ihr Ziel ist es, dass Unternehmen in der EU bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllen, um negative Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt in ihren Liefer- und Wertschöpfungsketten innerhalb und außerhalb Europas zu verhindern. Die Richtlinie ist von den EU-Mitgliedstaaten bis 26. Juli 2026 in innerstaatliches Recht umzusetzen.
Neue Pflichten durch das EU Lieferkettengesetz
Die Richtlinie sieht vor, dass Unternehmen des Anwendungsbereichs künftig Risiken in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie mit Blick auf ihre Tochterunternehmen und ihre Geschäftspartner ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber berichten. Unternehmen müssen dabei sowohl auf die vorgelagerte als auch die nachgelagerte Kette (z.B. Transport zum Endkunden) achten.
Unternehmen müssen ihre eigenen Aktivitäten sowie jede Ihrer direkten und indirekten Geschäftspartner in Bezug auf Themen wie Kinderarbeit, Ausbeutung von Arbeitnehmern, sichere Arbeitsbedingungen, Verlust der Biodiversität und Umweltverschmutzung überwachen und optimieren.
Betroffene Unternehmen – groß und klein
Unternehmen sind ab 1.000 Mitarbeitern und einem weltweiten Nettojahresumsatz von 450 Millionen Euro vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst. In bestimmten Hochrisikosektoren (wie Textilien, Landwirtschaft oder Bergbau) greift die Regelung bereits bei Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Umsatz. Auch Unternehmen aus Drittstaaten können betroffen sein.
Wies steht es mit dem EU Lieferkettengesetz und KMUs? Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) fallen zwar nicht direkt in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Sie sollten sich trotzdem rechtzeitig mit dem EU Lieferkettengesetz beschäftigen. Denn die betroffenen Unternehmen werden ihre Sorgfaltspflichten an ihre Vertragspartner weitergeben, wenn diese Teil derer vor- bzw. nachgelagerten „Aktivitätskette“ sind - ohne dass es auf die genannten Schwellenwerte ankäme!
Denn große Unternehmen werden von ihren Zulieferern (oft KMUs) die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards fordern, um selbst gesetzeskonform zu handeln. Dies könnte bedeuten, dass KMUs neue Sorgfaltspflichten erfüllen müssen, um ihre Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten.
Mit der „Aktivitätskette“ sind dabei alle Tätigkeiten in der vorgelagerten Lieferkette, dem eigenen Geschäftsbereich und in der nachgelagerten Lieferkette – sofern sie in Bezug auf Vertrieb, Transport und Lagerung von Produkten eingebunden sind – gemeint.
Welche Pflichten werden auf betroffene KMUs überwälzt werden?
KMUs werden angehalten werden, Risikobewertungen durchführen: Sie müssen sicherstellen, dass ihre Lieferanten keine Menschenrechtsverletzungen begehen oder Umweltstandards verletzen.
KMUs müssen Maßnahmen zur Abhilfe ergreifen: Wenn in ihrer Lieferkette Probleme identifiziert werden, müssen KMUs möglicherweise Korrekturmaßnahmen ergreifen.
KMUs trifft eine Berichterstattungspflicht: Viele große Unternehmen werden eine Berichterstattung über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette verlangen.
Herausforderungen - Lieferkettengesetz und KMUs
KMUs müssen eventuell Systeme zur Überwachung und Berichterstattung über ihre Lieferketten einführen, was zusätzliche Ressourcen erfordert.
Die Einhaltung von Sorgfaltspflichten kann mit zusätzlichen Kosten verbunden sein, z.B. für die Anpassung von Verträgen, Lieferantenbewertungen oder Schulungen.
KMUs müssen Risiken in ihren Lieferketten besser verstehen und managen, was besonders bei komplexen, globalen Lieferketten anspruchsvoll ist (Risikomanagement).
Begleitmaßnahmen
Die Lieferkettenrichtlinie sieht verschiedene Maßnahmen vor, um den Mittelstand bei der Erfüllung der neuen Anforderungen zu unterstützen. In welcher Form Österreich dies ausgestalten wird, wird sich im Rahmen der Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes in nationales Recht zeigen. Dazu hat das Parlament bis 27. Juli 2027 Zeit.
Konkret macht die Lieferkettenrichtlinie den Mitgliedstaaten folgende Vorgaben zum „Schutz“ von KMUs, die recht abstrakt und realitätsfern erscheinen und wohl als ein weiterer Auswuchs Brüsseler Bürokratie zu bezeichnen sind:
Zur Unterstützung von KMUs sollen die Mitgliedstaaten mit Hilfe der Kommission etwa benutzerfreundliche Websites, Portale oder Plattformen einrichten, um Informationen und Hilfen bereitzustellen. Sie können KMUs auch finanziell unterstützen und beim Kapazitätsaufbau helfen. Diese Unterstützung kann auch Wirtschaftsbeteiligten in Drittländern zugänglich gemacht werden.
Unternehmen werden ermutigt, KMUs bei der Erfüllung von Sorgfaltspflichten zu unterstützen und faire, verhältnismäßige Anforderungen anzuwenden.
Verpflichtete Unternehmen sollen KMUs, die ihre Geschäftspartner sind, gezielte Unterstützung bieten, wie Zugang zu Schulungen oder Modernisierungen, und gegebenenfalls finanzielle Hilfe leisten. Dies kann durch direkte Finanzierung, zinsgünstige Darlehen oder Garantien erfolgen, um eine Insolvenz der KMUs zu verhindern.
Vertragliche Bedingungen mit KMUs müssen fair und diskriminierungsfrei sein. Das Unternehmen sollte bewerten, ob vertragliche Zusicherungen von KMUs durch geeignete Maßnahmen begleitet werden. Kosten für Überprüfungen durch unabhängige Dritte trägt das Unternehmen. Das KMU kann die Ergebnisse solchen Überprüfungen anderen Unternehmen zur Verfügung stellen.
Schrittweise Anwendung
2027 (drei Jahre nach Inkrafttreten) ist die Richtlinie anzuwenden für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz; 2028 (vier Jahre nach Inkrafttreten) verringern sich die Schwellenwerte auf 3.000 Mitarbeiter und mehr als 900 Millionen Euro Umsatz; 2029 (fünf Jahre nach Inkrafttreten) werden dann im letzten Schritt Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Millionen Euro Umsatz erfasst.
Wettbewerbsvorteil für KMUs sichern
Zunächst bedeutet das EU Lieferkettengesetz eine zusätzliche Erschwernis für kleine und mittelständische Unternehmen. KMUs, die frühzeitig Maßnahmen zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards ergreifen, können das neue Regelwerk aber als Wettbewerbsvorteil nutzen, da viele große Unternehmen bevorzugt mit konformen Lieferanten zusammenarbeiten wollen. Es kann zudem das Vertrauen von Konsumenten stärken. Lassen Sie sich rechtzeitig beraten, damit Ihr Unternehmen Lieferketten-fit wird.
Rechtsanwalt Handelsrecht
Rechtsanwalt Dr. Simon Harald Baier LL.M. berät zu Fragen der des Wirtschaftsrechts, Handelsrechts und Europarechts.
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