Am 12. Jänner 2023 trat die EU-Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen (VO (EU) 2022/2560, "Foreign Subsidies Regulation", "FSR") in Kraft. Ziel dieser Verordnung ist es, bestehende Lücken in den EU-Vorschriften zu Wettbewerb, Handel und öffentlicher Auftragsvergabe in Bezug auf ausländische Subventionen zu schließen, die den europäischen Binnenmarkt verzerren könnten, und damit faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Die Verordnung wird erhebliche Auswirkungen auf Investitionen und wirtschaftliche Aktivitäten in der EU haben. Sie führt unter anderem zusätzliche Meldepflichten für Fusionen und öffentliche Ausschreibungen ein, wenn Unternehmen in einem bestimmten Umfang finanzielle Zuwendungen von Nicht-EU-Staaten erhalten haben.
Diese Regelungen sind auch für europäische Unternehmen relevant, sofern sie finanzielle Unterstützung aus Nicht-EU-Staaten erhalten haben. Es gelten Durchsetzungs- und Zuschlagsverbote, und bei Nichtbeachtung drohen hohe Geldstrafen von bis zu 10 % des weltweiten Jahresumsatzes des Konzerns. Darüber hinaus hat die Europäische Kommission die Möglichkeit, vollzogene Fusionen nachträglich zu entflechten, selbst wenn diese die Schwellenwerte für eine Anmeldung nicht überschritten haben.
Definition von „Drittstaatensubvention“
Eine „drittstaatliche Subvention“ im Sinne der Verordnung muss vier Kriterien erfüllen. Sie muss:
- eine finanzielle Zuwendung sein,
- direkt oder indirekt von einem Drittstaat gewährt werden,
- einem Unternehmen, das auf dem Binnenmarkt tätig ist, einen Vorteil verschaffen und
- auf ein einzelnes Unternehmen, einen bestimmten Wirtschaftszweig oder mehrere Unternehmen oder Wirtschaftszweige beschränkt sein.
Was kann die Kommission gemäß der EU-Verordnung für drittstaatliche Subventionen tun?
Die Verordnung führt drei neue Instrumente für die Europäische Kommission ein:
1. Ein zusätzliches Fusionskontrollregime, das eine Meldepflicht für Zusammenschlüsse vorsieht, wenn der Umsatz eines der beteiligten Unternehmen, des Zielunternehmens oder des Gemeinschaftsunternehmens in der EU mindestens 500 Millionen Euro beträgt und die Summe der finanziellen Zuwendungen von Drittstaaten für alle beteiligten Unternehmen in den letzten drei Kalenderjahren vor der Anmeldung 50 Millionen Euro übersteigt. Die Kommission kann einen Zusammenschluss untersagen, wenn eine drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt verzerrt.
2. Angebote im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren müssen gemeldet werden, wenn der geschätzte Auftragswert mindestens 250 Millionen Euro beträgt und der Bieter in den letzten drei Kalenderjahren insgesamt finanzielle Zuwendungen von mindestens 4 Millionen Euro pro Drittstaat erhalten hat. Der Zuschlag kann verweigert werden, wenn drittstaatliche Subventionen das Vergabeverfahren verzerren oder drohen, dies zu tun.
3. Unabhängig von Schwellenwerten und Meldepflichten kann die Kommission von Amts wegen Untersuchungen einleiten und Abhilfemaßnahmen gegen drittstaatliche Subventionen ergreifen, die den Binnenmarkt verzerren. Dazu gehört unter anderem die nachträgliche Entflechtung eines bereits vollzogenen Zusammenschlusses, auch wenn keine Meldepflicht bestand. Die Kommission kann auch Ad-hoc-Meldungen von Fusionen und Beteiligungen an öffentlichen Vergabeverfahren verlangen, die die Schwellenwerte nicht erreichen.
Die Kommission prüft, ob eine drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt verzerrt. Dies ist der Fall, wenn die Subvention geeignet ist, die Wettbewerbsposition eines Unternehmens auf dem Binnenmarkt zu stärken und dadurch den Wettbewerb tatsächlich oder potenziell zu beeinträchtigen.
Die Verordnung enthält eine nicht abschließende Liste von Kriterien für diese Bewertung, wie zum Beispiel die Höhe, Art und den Zweck der Subvention. Zudem werden Kategorien von drittstaatlichen Subventionen definiert, bei denen eine Verzerrung des Binnenmarkts besonders wahrscheinlich ist, wie etwa Subventionen für notleidende Unternehmen oder solche, die einen Zusammenschluss unmittelbar erleichtern.
Kommt die Kommission zu dem Schluss, dass eine Verzerrung vorliegt, führt sie eine Abwägung durch. Dabei werden die negativen Auswirkungen gegen die positiven Effekte der Subvention auf die Entwicklung der subventionierten wirtschaftlichen Tätigkeit oder andere relevante Ziele, insbesondere der EU, abgewogen.
Rechtsanwalt Europarecht
Rechtsanwalt Dr. Simon Harald Baier LL.M. berät zu Fragen der des internationalen Handelsrechts und Europarechts.
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