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UN-Kaufrecht (CISG) und österreichisches Vertragsrecht im Vergleich

  • simonbaier6
  • vor 2 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit

Das UN-Kaufrecht (Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf bzw. United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods - CISG) ist ein internationales Übereinkommen der Vereinten Nationen, das den grenzüberschreitenden Warenhandel vereinheitlicht. Es wurde von über 90 Staaten – darunter auch Österreich – ratifiziert und gilt damit weltweit als bewährte Grundlage für internationale Kaufverträge.

 

Im Unterschied zu nationalem Recht enthält das CISG keine Kollisionsnormen, sondern unmittelbar anwendbare, materielle Vertragsbestimmungen. Es ist jedoch nicht zwingend – Parteien können es vertraglich ausschließen oder modifizieren.


UN-Kaufrecht (CISG) vs. Österreichisches Recht – Überblick & Unterschiede
Im Internationalen Warengeschäft kann das UN-Kaufrecht auch Vorteile bieten
  1.  Wann gilt das UN-Kaufrecht?

 

Das CISG betrifft Kaufverträge über Waren und kommt grundsätzlich zur Anwendung, wenn beide Vertragsparteien ihre Niederlassung in unterschiedlichen Staaten haben und beide Staaten Vertragsparteien des CISG sind oder das Internationale Privatrecht (bzw die Rom I-Verordnung) auf das Recht eines Vertragsstaates verweist. Die Staatsangehörigkeit der Parteien spielt keine Rolle.

 

Wird im Vertrag allgemein „österreichisches Recht“ vereinbart, gilt automatisch auch das UN-Kaufrecht, da es Teil des österreichischen materiellen Rechts ist. Wer ausschließlich nach österreichischem Recht ohne CISG abschließen will, muss das UN-Kaufrecht ausdrücklich ausschließen (z.B. „Es gilt österreichisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts“).

 

  1. Wann findet das UN-Kaufrecht keine Anwendung?

 

Das CISG gilt gemäß Artikel 2 insbesondere nicht für:

 

  • Privatkäufe (Waren für den persönlichen oder familiären Gebrauch)

  • Versteigerungen und Zwangsvollstreckungen

  • Wertpapiere, Zahlungsmittel, Schiffe, Luftfahrzeuge und elektrische Energie

  • Werkverträge bzw Werklieferungsverträge, bei denen der Besteller einen wesentlichen Teil der Materialien beistellt

  • Schadenersatz wegen Personenschäden

 

  1. Entscheidung: UN-Kaufrecht oder österreichisches Recht?

 

Ob das UN-Kaufrecht angewendet oder ausgeschlossen werden soll, hängt vom Einzelfall ab. Ein Ausschluss kann etwa sinnvoll sein, wenn die Parteien mit österreichischem Recht vertrauter sind oder sich daraus Vorteile für eine Vertragspartei ergeben.


Das UN-Kaufrecht wiederum bietet eine bewährte, international verständliche Grundlage mit flexiblen Regelungen, die oft Missverständnisse in grenzüberschreitenden Geschäften vermeiden hilft.

 

  1. Zentrale Unterschiede im Überblick

 

  • Haftung für Mängel

 

CISG: Der Verkäufer haftet für Vertragswidrigkeiten, die beim Gefahrenübergang bestehen (Art 36). Der Mangelbegriff umfasst Menge, Qualität, Art und Verpackung – also weiter als im österreichischen Recht.


Österreichisches Recht: Haftung nur für Mängel bei Übergabe (§ 922 ABGB).

 

  • Gewährleistung und Rügepflicht

 

CISG: Mängel müssen innerhalb angemessener Frist, spätestens binnen zwei Jahren gerügt werden (Art 39). Die Frist zur Untersuchung richtet sich nach den Umständen – damit besteht gewisse Flexibilität, wobei die Judikatur dennoch von einer kurzen Frist ausgeht.


Österreichisches Recht: Unternehmer müssen Mängel unverzüglich rügen (§ 377 UGB), sonst gilt die Ware als genehmigt.

 

  • Beweislast

 

CISG: Der Käufer muss beweisen, dass der Mangel beim Gefahrenübergang bestand.


Österreichisches Recht: Binnen sechs Monaten nach Übergabe gilt eine Beweislastumkehr (§ 924 ABGB).

 

  • Gefahrtragung

 

CISG: Die Gefahr geht auf den Käufer über, sobald die Ware dem ersten Beförderer übergeben wurde (Art 67).

Österreichisches Recht: Ähnlich – die Gefahr geht mit Übergabe oder Versand über (§ 429 ABGB).

 

  • Vertragsaufhebung

 

CISG: Der Käufer kann den Vertrag bei einer wesentlichen Vertragsverletzung aufheben (Art 49). Eine wesentliche Vertragsverletzung liegt vor, wenn der Käufer durch die Vertragswidrigkeit wesentlich benachteiligt wird (höhere Schwelle für die Vertragsaufhebung).


Österreichisches Recht: Nach § 932 ABGB kann der Käufer bei unbehebbaren Mängeln die Wandlung (Vertragsaufhebung) verlangen. Bei behebbaren Mängeln ist zunächst eine Verbesserung oder Austausch zu fordern. Vorteil: Klare Hierarchie der Rechtsbehelfe. Nachteil: Weniger Flexibilität bei der Vertragsaufhebung.

 

  • Verzug

 

CISG: Ein Lieferverzug liegt vor, wenn der Verkäufer nicht innerhalb der vereinbarten oder angemessenen Frist liefert. Der Käufer kann eine Nachfrist setzen und bei Nichterfüllung oder wesentlicher Vertragsverletzung den Vertrag aufheben oder Schadenersatz verlangen. Beim Zahlungsverzug kann der Verkäufer ebenfalls eine Nachfrist setzen, Verzugszinsen verlangen oder – bei fortbestehendem Verzug – den Vertrag beenden.


Österreichisches Recht: Verzug tritt ein, sobald eine Leistung nicht zum vereinbarten Termin erfolgt (§§ 918, 919 ABGB). Der Gläubiger kann eine Nachfrist setzen und anschließend vom Vertrag zurücktreten. Bei Geldforderungen entstehen automatisch Verzugszinsen (§ 1333 ABGB). Eine Aufhebung ist auch hier erst nach erfolgloser Nachfrist oder bei Fixgeschäften möglich.


  1. Fazit

 

Das UN-Kaufrecht (CISG) bietet ein ausgewogenes, international anerkanntes Regelwerk für grenzüberschreitende Kaufverträge. Ein bewusster Umgang mit der Rechtswahl ist entscheidend: Während das österreichische Recht klare Fristen und einen stärkeren Verkäuferschutz bietet, bietet das UN-Kaufrecht Flexibilität und internationale Einheitlichkeit.

 

Unternehmen sollten daher je nach Geschäftspartner, Vertragsgegenstand und Risikoprofil prüfen, ob ein Ausschluss des CISG tatsächlich sinnvoll ist – oder ob es nicht gerade mehr Rechtssicherheit im internationalen Handel bietet.


Anwalt Handelsrecht


Rechtsanwalt Dr. Simon Harald Baier LL.M. berät zu Fragen der des internationalen Handelsrechts, zur internationalen Vertragsgestaltung und zu wirtschaftsrechtlichen Themen.

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