Handelsvertreterrecht und Handelsvertretervertrag in Österreich – ein Überblick
- simonbaier6
- 22. Feb. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 13 Minuten
Was ist ein Handelsvertreter?
Handelsvertreter haben die Aufgabe, Geschäfte für andere Unternehmen zu vermitteln, und sind gemäß dem Handelsvertretergesetz (HVertrG) dazu verpflichtet, kontinuierlich nach neuen Geschäftsmöglichkeiten zu suchen. Meist schließt der Handelsvertreter diese Geschäfte nicht direkt im Namen des Unternehmens ab, sondern vermittelt sie lediglich.
Handelsvertretervertrag als Grundlage
In der Regel wird zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmen, für das er arbeitet (dem sogenannten Prinzipal), ein Vertrag abgeschlossen, der den rechtlichen Rahmen des Handelsvertretergesetzes einhalten muss. In Österreich werden die Rechte und Pflichten eines Handelsvertreters hauptsächlich durch das Handelsvertretergesetz und die EU-Richtlinie RL 86/653/EWG geregelt.
Es ist wichtig, zwischen den gesetzlichen und vertraglichen Rechten und Pflichten zu unterscheiden und sicherzustellen, dass der Handelsvertretervertrag die zwingenden Normen des Handelsvertretergesetzes berücksichtigt.

Welche Rechte und Pflichten haben Handelsvertreter?
Die Rechte des Handelsvertreters umfassen unter anderem das Recht auf Vergütung (Provision) und eine genaue Abrechnung. Der Handelsvertreter hat auch Kontrollrechte wie das Recht auf Buchauszug und Bucheinsicht.
Seine Hauptpflicht besteht darin, Geschäfte zu vermitteln oder abzuschließen und dabei die Interessen seines Auftraggebers wahrzunehmen. Dazu gehört auch die Pflicht, dem Unternehmer die erforderlichen Mitteilungen zu machen und ihn unverzüglich über jeden abgeschlossenen Geschäftsabschluss zu informieren.
Welche Pflichten haben Unternehmer im Handelsvertreterverhältnis?
Neben den Pflichten des Handelsvertreters hat auch der Unternehmer, der Prinzipal, bestimmte Verpflichtungen. Dazu gehört die Zahlung der vereinbarten Provision und die Bereitstellung von Unterstützung in Form von Informationen und Unterlagen. Der Unternehmer hat auch Informationspflichten, Treuepflichten und Verschwiegenheitspflichten gegenüber dem Handelsvertreter.
Die Provisionsansprüche des Handelsagenten unterliegen keinen spezifischen Regelungen bezüglich der Bemessungsgrundlage im österreichischen Handelsvertretergesetz, jedoch dürfen bei der Berechnung der Provision grundsätzlich keine Nachlässe berücksichtigt werden.
Wichtige Vertragspunkte bei der Handelsvertretung
Im Handelsvertretervertrag werden die grundlegenden Rechte und Pflichten beider Parteien festgelegt. Je genauer und umfassender dieser Vertrag formuliert ist, desto geringer ist das Risiko von Streitigkeiten.
Häufige Fragen während des Vertragsverhältnisses betreffen den Umfang der Tätigkeiten des Handelsvertreters, die gegenseitigen Rechte und Pflichten und die Höhe der Provision.
Fragen zur Exklusivität, zum Gebietsschutz und zu einem Wettbewerbsverbot können ebenso von Bedeutung sein.
Handelsvertreter und Kartellrecht
Was ist der Unterschied zwischen echtem und unechtem Handelsvertreter?
Aus kartellrechtlicher Sicht ist auch wichtig zu klären, ob es sich beim Handelsvertreter um einen „echten“ oder „unechten“ Handelsvertreter handelt. Denn auf echte Handelsvertreterverträge ist das Kartellverbot in der Regel nicht anzuwenden, weil diese quasi als verlängerter Arm seines Auftraggebers gelten ("Handelsvertreterprivileg").
Um als ein solcher verlängerter Arm des Geschäftsherrn eingestuft zu werden, darf ein Handelsvertreter gar kein oder nur ein unbedeutendes Risiko tragen, und zwar in Bezug auf die von ihm im Namen des Unternehmers abgeschlossenen oder für diesen vermittelten Verträge, die marktspezifischen Investitionen für diesen Tätigkeitsbereich und andere Tätigkeiten, die der Unternehmer für denselben sachlich relevanten Markt als erforderlich erachtet.
Kartellrechtliche Schranken bei unechtem Handelsvertreterverhältnis
Handelsvertreterverträge und Vertriebssysteme, die eine vertikale Vertriebsbindung darstellen, können wettbewerbsrechtlich relevant sein. Solche Bindungen können beispielsweise durch Preisempfehlungen oder exklusive Bezugsverpflichtungen entstehen, die den Wettbewerb einschränken könnten. In solchen Fällen ist eine kartellrechtliche Prüfung erforderlich, um sicherzustellen, dass keine unzulässigen Wettbewerbsbeschränkungen vorliegen. In diesem Zusammenhang ist vor allem auch die Vertikal-GVO 720/22 (Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung) relevant.
Was ist der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters?
§ 24 HVertrG sieht für den Handelsvertreter einen sogenannten Ausgleichsanspruch für die Zuführung neuer Kunden und wesentliche Erweiterung bestehender Geschäftsbeziehungen vor. Der Ausgleichsanspruch gebührt dem Handelsvertreter nach Vertragsende.
Unter welchen Voraussetzungen gebührt dem Handelsvertreter ein Ausgleichsanspruch?
Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch des Handelsagenten ist, dass der Vertrag ausgleichswahrend beendet wurde (zB durch Kündigung des Unternehmers) und der Handelsvertreter neue Kunden zugeführt oder bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat; zu erwarten ist, dass auch nach der Beendigung der Tätigkeit durch den Handelsvertreter Vorteile für den Unternehmer erwachsen; die Zahlung des Ausgleichsanspruches unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit den betreffenden Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Die Rechtsprechung respektive Gesetzgebung gesteht den Ausgleich zwischenzeitig aber auch dem Vertragshändler, Franchisenehmer, Versicherungsvertreter, Tankstellenbetreiber im Franchise zu.
Verjährung und Anmeldung beachten!
Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus einem Handelsvertretervertrag beträgt in der Regel drei Jahre, wobei die Geltendmachung des Ausgleichsanspruches dem Unternehmer - bei sonstigem Anspruchsverlust - bereits innerhalb eines Jahres mitgeteilt (also angemeldet) werden muss (diese 1-Jahresfrist für die Anmeldung des Anspruchs bei sonstigem Anspruchsverlust gilt im übrigen auch für einen allfälligen Investitionsersatzanspruch des Handelsvertreters nach § 454 UGB).
Rechtsanwalt Handelsvertreter und Vertriebsrecht in Wien
Rechtsanwalt Dr. Simon Harald Baier LL.M. unterstützt Sie bei der Erstellung, Prüfung und Verhandlung von Handelsvertreterverträgen sowie bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs und vertritt Sie im gerichtlichen Verfahren über den Ausgleichsanspruch.
Kontaktieren Sie uns für eine rechtliche Einschätzung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche sowie bei allen Fragen im Zusammenhang mit Handelsvertreterrecht und Vertriebsverträgen.


