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Was ist Schiedsgerichtsbarkeit?

  • simonbaier6
  • vor 6 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Ein Schiedsverfahren („arbitration“) ist eine vertraglich vereinbarte und somit alternative Form der verbindlichen Streitbeilegung. Das Recht einer Vertragspartei, eine Streitigkeit einem Schiedsverfahren zu unterziehen, hängt vom Bestehen einer entsprechenden Vereinbarung (der „Schiedsvereinbarung“ oder Schiedlklausel“) zwischen ihr und der anderen Vertragspartei ab.


Handelsverträge enthalten in der Regel Bestimmungen darüber, wie Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem konkreten Vertrag beigelegt werden sollen. Insbesondere in internationalen Verträgen sind dabei Schiedsklauseln nicht unüblich, etwa wenn eine Seite mit der Rechtsordnung des anderen Vertragspartners nicht vertraut ist oder einen möglichen Rechtsgang vor staatlichen Gerichten scheut.


Was sind die Folgen einer vereinbarten Schiedsklausel?


Mit dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung vereinbaren die Parteien, allfällige Streitigkeit im Zusammenhang mit dem Vertrag einem neutralen, alternativen Tribunal zur Entscheidung über ihre Rechte und Pflichten vorzulegen – außerhalb staatlicher Gerichte und mit einer verbindlichen Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts. Der Gang zu den ordentlichen Gerichten ist damit grundsätzlich und bis auf wenige Ausnahmen ausgeschlossen. Die Parteien können auch nach Entstehung einer Streitigkeit eine Schiedsvereinbarung treffen.


Vertragsparteien können eine alternative Streitbeilegung durch ein Schiedsgericht vereinbaren
Schiedsgerichte kommen als Forum für eine alternative Streitbeilegung in Frage

Welche Vorteile bietet die Schiedsgerichtsbarkeit?


Die Schiedsgerichtsbarkeit bietet den Parteien zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten und Vorteile:


Die Parteien können die Zusammensetzung des Schiedsgerichts aktiv mitbestimmen und so auf fachkundige und erfahrene Schiedsrichter setzen.


Auch das Verfahren selbst ist flexibel, indem die Parteien unter anderem das anwendbare Recht, den Schiedsort und die Verfahrenssprache festlegen.


Schiedsverfahren laufen in der Regel effizient und kostenschonend ab. Zudem können die Parteien bei der Hinzuziehung von Sachverständigen stärker Einfluss nehmen, als dies im österreichischen ordentlichen Gerichtsverfahren möglich wäre. Auch Mehrparteienverfahren lassen sich problemlos abwickeln.


Ein weiterer Vorteil ist die Vertraulichkeit, da Schiedsverfahren nicht öffentlich stattfinden, wodurch sensible Informationen geschützt bleiben.


Wie funktioniert die Vollstreckung eines Schiedsspruchs?


Schiedssprüche können in fast allen Staaten der Welt durchgesetzt (vollstreckt) werden. Das unterscheidet sie wesentlich von staatlichen österreichischen Urteilen, deren Durchsetzung im Gegensatz dazu außerhalb der EU oftmals Schwierigkeiten bereitet oder überhaupt scheitert.


Das entsprechende „New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche“ wurde von den der überwiegenden Mehrheit der Staaten der Welt ratifiziert. Allerdings variieren die Vollstreckungsregelungen, und es ist wichtig, die Aussichten auf eine Vollstreckung bei der Entscheidung über die Vereinbarung von Schiedsgerichtsbarkeit zu berücksichtigen.


Was enthält die Schiedsvereinbarung?


Die Schiedsvereinbarung legt die wesentlichen Elemente des Schiedsverfahrens fest. Zum Beispiel:


  • Wird das Schiedsgericht aus einer oder drei Personen (Schiedsrichtersenat) bestehen?

  • Wie werden die Schiedsrichter ausgewählt?

  • Wo findet das Schiedsverfahren statt und wo befindet sich der rechtliche „Sitz” bzw. Ort des Schiedsverfahrens?

  • Wird das Schiedsverfahren nach den Regeln einer bestimmten Schiedsgerichtsinstitution durchgeführt, oder handelt es sich um ein sogenanntes „Ad-Hoc-Verfahren"?


Welche Schiedsgerichte gibt es?


Bekannte internationale Schiedsgerichtsinstitutionen sind z.B. die Schiedsgerichte der Internationalen Handelskammer (ICC) oder das London Court of International Arbitration (LCIA). Aus dem asiatischen Raum wären z.B. das Singapore International Arbitration Centre (SIAC) oder das Hong Kong International Arbitration Centre (HKIAC) zu nennen.


Auch Österreich hat eine eigene Schiedsinstitution, nämlich das Vienna International Arbitration Center, das als führende internationale Schiedsinstitution in Mittel-, Ost- und Südosteuropa gilt und Schiedsverfahren nach den sog. "Vienna Rules" abwickelt.


Was ist ein Ad-Hoc-Schiedsgericht?


Bei einem sogenannten Ad-Hoc-Schiedsgericht wird das Verfahren vom Schiedsgericht und den Parteien selbst bestimmt, und diese legen Regeln sowie Ablauf selbständig fest. Auch die Auswahl des Schiedsrichters (bzw. de Schiedsrichtersenats) basiert dann auf einer Vereinbarung der Streitparteien. Es gibt in diesem Fall keine institutionelle Unterstützung des Schiedsgerichts (z.B. Sekretariatstätigkeiten, Organisation, Kommunikation etc.).


Wie wird ein Schiedsverfahren eingeleitet und wie läuft es ab?


Da es sich bei einem Schiedsverfahren um einen vertraglich vereinbarten alternativen Streitbeilegungsmechanismus handelt, sind möglicherweise bestimmte im Vertrag festgelegte Schritte zu befolgen, bevor ein Schiedsverfahren eingeleitet werden kann. Läuft ein Schiedsverfahren nach den Regeln einer bestimmten Schiedsgerichtsinstitution ab, schreiben die Regeln dieser Institution meist den genauen Verfahrensablauf vor.


Schiedsverfahren umfassen in der Regel eine oder mehrere Verhandlungen vor dem Schiedsgericht, in denen die Anwälte der Parteien Argumente vorbringen und die Zeugen und Sachverständigen befragen.


Was ist der Schiedsspruch?


Nach der Verhandlung erlässt das Schiedsgericht seinen Schiedsspruch. Darin werden die Entscheidungen dargelegt, zu denen es in den Streitfragen zwischen den Parteien gelangt ist. Sofern der Schiedsspruch nicht angefochten wird, bestimmt er die Rechte und Pflichten der Parteien und entspricht insoweit einem Urteil eines staatlichen Gerichts.


Kann ein Schiedsspruch angefochten werden?


Grundsätzlich gilt, dass Schiedssprüche meist nur in Ausnahmefällen angefochten werden können. Unter Umständen sieht die gewählte Schiedsordnung bestimmte Möglichkeiten bzw. Bedingungen vor.


Das österreichische Zivilprozessrecht kennt die Möglichkeit der Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruchs, wobei etwa die unrichtige Auslegung eines Vertrages durch das Schiedsgericht im Wege der Aufhebungsklage nicht überprüft werden kann und rechtliche Fehlentscheidungen eines Schiedsgerichts grundsätzlich hingenommen werden müssen; ein Aufhebungsgrund wäre nur dann verwirklicht, wenn das Ergebnis des Schiedsspruchs (nicht aber seine Begründung) zu einer unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung ("ordre public") führen würde.


Schiedsgerichtsbarkeit - Anwalt


Die Entscheidung, ob in einen Vertrag eine Schiedsklausel aufgenommen werden soll und die konkrete Ausgestaltung einer solchen Schiedsgerichtsvereinbarung sollte mit Bedacht und nach entsprechender rechtlicher Beratung getroffen werden. Ein Rechtsanwalt kann Sie dabei unterstützen und Sie über die rechtlichen Folgen im Einzelfall aufklären.


Im Fall von Vertragsstreitigkeiten vor Schiedsgerichten benötigen Sie meist nicht zwingend eine anwaltliche Vertretung. Aufgrund der oftmaligen Komplexitäten, der Besonderheiten der jeweiligen Schiedsordnung und den meist hohen Streitwerten ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt jedoch ratsam.


Anwalt Schiedsgericht und internationales Handelsrecht Wien


Rechtsanwalt Dr. Simon Harald Baier LL.M. berät zu Fragen der des internationalen Handelsrechts, zur internationalen Vertragsgestaltung und vertritt Sie in Schiedsverfahren.


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